Analytical Credit Dataset (AnaCredit)

24.05.2015 / Update 26.09.2016

Ausgangssituation

Die EZB hat mit Beschluss vom 24.02.2014 bzw. 01.06.2016 mitgeteilt, dass sie anstrebt, künftig genaue Kenntnis über Art, Höhe, Laufzeit und Schuldner der von Banken vergebenen Kredite zu erhalten, und gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken im Rahmen von Vorbereitungsmaßnahmen beabsichtigt, ein Kreditregister aufzubauen. Damit will die EZB ihren Aufgaben im Hinblick auf die Geldpolitik, die Sicherung der Finanzstabilität und der Identifikation von Risiken im Rahmen der Überwachung gerechter werden. 

Historie

Im Beschluss vom 24.02.2014 wurden bereits viele Informationen, die Institute melden sollen, genannt und in den  QIS-Fragebogen der EZB vom 28.04.2014 wurden bereits erste Datenfelder erhoben. Aus diesen Erhebungen in Verbindung mit dem Beschluss vom 24.02.2014 lassen sich folgende – noch nicht finalen – Informationsanforderungen ableiten:

  • Kreditgeberkennung
  • Kreditnehmerinfomationen
    • Wohnsitzland
    • Industrieller Sektor
    • Wirtschaftlicher Sektor
    • Größe (nach vierstufiger Systematik)
    • Anonymisierte Kreditnehmerkennung
  • Informationen zu Krediten
    • Kreditvolumen und Kreditart
    • Konsortialkredit
    • Leistungsgestört/Notleidend
    • Kennzeichen über nachrangige Forderungen
    • Kreditlinien
    • Eventuelle Rückstände
    • Sicherheiten (unterteilt nach Arten)
    • Zinssatz
    • Risikogewichtete Vermögenswerte
    • Eventuelle Risikoanpassungen
    • PD bei IRBA-Instituten
    • LGD bei IRBA-Instituten
    • Währung
    • Laufzeitinformationen
  • Derivate
  • Außerbilanzielles Geschäft

Des Weiteren sollen Informationen, abweichend von der bisherigen Millionenkreditmeldung, folgendermaßen gemeldet werden:

  • granularer: höhere Granularität der Stamm- und Betragsdaten (siehe oben)
  • häufiger: höhere Meldefrequenz (voraussichtlich monatlich)
  • umfangreicher: voraussichtliche Absenkung der Meldeschwelle auf 25.000 Euro

 

Finale Verordnung

Der EZB-Rat billigte am 18. Mai 2016 die Verordnung zur Implementierung eines granularen statistischen Kreditmeldewesens ("ECB Regulation on the collection of granular credit and credit risk data – AnaCredit"). Sie tritt zum 31. Dezember 2017 in Kraft. Vorgesehen ist eine neuartige Erhebungsmethodik auf Einzelkreditebene ("Loan-by-Loan"). Es  entsteht ein granularer Datensatz, der bedarfsgerechte Auswertungen auf verschiedenen Aggregationsstufen ermöglicht.

Mit dem Vorhaben setzt der EZB-Rat den Paradigmenwechsel in Richtung granularer Mikrodatenbestände fort, die vielfältigen Nutzungszwecken innerhalb und außerhalb des Europäischen Systemes der Zentralbanken (ESZB) zugute kommen sollen ("collect data only once"). Im Zuge der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die aggregierten Statistiken für die Analyse häufig nicht ausreichen, da die wirtschaftliche Entwicklung verschiedener Sektoren, Regionen und unterschiedlich großer Firmen vor allem in Krisenzeiten sehr stark auseinander geht. Der neue granulare Datensatz soll diese Datenlücke schließen.

AnaCredit wird eine Reihe wichtiger Zentralbankaufgaben des Eurosystemes, wie zum Beispiel die Geldpolitik, das Risikomanagement und die Finanzstabilitätsüberwachung unterstützen. Daneben soll AnaCredit mittelfristig auch dazu beitragen, bestehende statistische Meldungen zu konsolidieren oder sogar ganz abzulösen. Schließlich wird AnaCredit eine Reihe von externen Institutionen wie die Europäische Kommission, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder den Internationalen Währungsfonds in verschiedenen Politikfeldern unterstützen.

 

Die harmonisierten europäischen Datenerfordernisse des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) sind hingegen noch nicht formuliert worden; es ist geplant, sie in einer späteren Ausbaustufe von AnaCredit zu berücksichtigen. Gemäß der AnaCredit-Verordnung sind zunächst nur Kreditinstitute meldepflichtig. Eine Ausweitung auf den gesamten finanziellen Sektor ist in einer späteren Ausbaustufe nach weiteren Kosten-Nutzen-Analysen möglich.  

Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger wurden nunmehr die bisherigen Vorgaben in nationales Recht umgesetzt und wie folgt konkretisiert.

 

Berichtspflicht:

Zur Meldung an die Deutsche Bundesbank sind in Deutschland gebietsansässige Kreditinstitute sowie in Deutschland gebietsansässige Zweigniederlassungen von im Ausland gebietsansässigen Kreditinstituten verpflichtet.

In Deutschland gebietsansässige Kreditinstitute mit im Ausland gebietsansässigen Zweigniederlassungen haben neben der Meldung für den in Deutschland gebietsansässigen Teil des Institutes auch Meldungen für die im Ausland gebietsansässigen Zweigniederlassungen einzureichen. Für die einzelnen Sitzländer sind separate Meldungen zu erstatten. Die Angaben der in demselben Sitzland gebietsansässigen Zweigniederlassungen sind in einer Meldung zusammenzufassen. 

 

Meldeschwelle:

Eine Berichtspflicht besteht für Instrumente, bei denen der Betrag des Engagements des Schuldners zu irgendeinem Meldestichtag innerhalb des Referenzzeitraums mindestens 25.000 Euro beträgt. Ausgenommen sind Kredite, die ausschließlich an natürliche Personen vergeben werden.

 

Meldeinhalt:

Die berichtspflichtigen Institute müssen folgende Meldungen abgeben:

 

a)  Vertragspartner-Stammdaten

Meldung von Vertragspartner-Stammdaten, die sich in der Regel nicht oder nur selten ändern. Die Meldung hat einmalig bei Abschluss des zu meldenden Vertrages und jeweils bei Änderung eines oder mehrerer Merkmale zu erfolgen. Bei Änderung eines oder mehrerer Merkmale ist nicht nur das jeweilige geänderte Merkmal zu melden, sondern es sind alle Merkmale des betroffenen Vertragspartner-Stammdatensatzes zu melden.

 

b)  Kredit-Stammdaten

Meldung von Kredit-Stammdaten, die sich in der Regel nicht oder nur selten ändern. Die Meldung hat einmalig bei Abschluss des zu meldenden Vertrages oder des Empfangs der Sicherheit und jeweils bei Änderung eines oder mehrerer Merkmale zu erfolgen. Bei Änderung eines oder mehrerer Merkmale ist nicht nur das jeweilige geänderte Merkmal zu melden, sondern es sind alle Merkmale des betroffenen Kredit-Stammdatensatzes jeweils nach Ziffern 1 bis 3 zu melden.

Hierzu zählen folgende Kredit-Stammdatensätze:

  1. Instrumentendaten
  2. Daten zu Vertragspartner-Instrument
  3. Daten empfangener Sicherheiten

c)  Dynamische Kreditdaten

aa) Meldung von dynamischen Kreditdaten, die monatlich zu übermitteln sind; hierzu zählen:

  1. Finanzdaten
  2. Daten zu Verbindlichkeiten mit mitschuldnerischer Haftung
  3. Daten zu Instrumentempfangener Sicherheit
  4. Daten des Vertragspartnerrisikos
  5. Daten des Vertragspartnerausfalles

bb) Meldung von dynamischen Kreditdaten, die vierteljährlich zu übermitteln sind; hierzu zählen:

  • Rechnungslegungsdaten 

Meldetermine:

Die Meldung von Vertragspartner-Stammdaten und Kredit-Stammdaten an die Aufsichtsbehörde ist täglich möglich, wobei sie für in Deutschland gebietsansässige beobachtete Einheiten jedoch spätestens bis zum Geschäftsschluss des 6. Geschäftstages nach Ablauf eines jeden Monats, in dem das die Meldepflicht auslösende Ereignis eingetreten ist, zu übermitteln ist. Bei im Ausland gebietsansässigen beobachteten Einheiten ist diese Meldung spätestens bis zum Geschäftsschluss des 15. Geschäftstages nach Ablauf eines jeden Monats, in dem das die Meldepflicht auslösende Ereignis eingetreten ist, zu übermitteln. Unabhängig von der gewählten Meldefrequenz ist sicherzustellen, dass innerhalb der genannten Meldetermine Vertragspartner-Stammdaten und Kredit- Stammdaten mit dem Stand des jeweils letzten Tages des Monats (Meldestichtag) übermittelt wurden.

Die Meldung monatlich zu übermittelnder Daten hat für in Deutschland gebietsansässige beobachtete Einheiten mit dem Stand des jeweils letzten Tages des Monats (Meldestichtag) bis zum Geschäftsschluss des 6. Geschäftstages nach Ablauf eines jeden Monats zu erfolgen. Für im Ausland gebietsansässige beobachtete Einheiten ist diese Meldung bis zum Geschäftsschluss des 15. Geschäftstages nach Ablauf eines jeden Monats zu übermitteln.

Die Meldung vierteljährlich zu meldender Daten auf Stand des jeweils letzten Tages im März, Juni, September und Dezember (Meldestichtage) ist folgendermaßen zu berücksichtigen:

Daten des 1. Quartals sind bis zum Geschäftsschluss des 12. Mai; Daten des 2. Quartals bis zum Geschäftsschluss des 11. August; Daten des 3. Quartals bis zum Geschäftsschluss des 11. November jeweils desselben Jahres und Daten des 4. Quartals bis zum Geschäftsschluss des 11. Februar des Folgejahres zu übermitteln. Fällt der Meldetermin auf einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag oder Sonntag, so sind die Daten bis zum Geschäftsschluss des darauffolgenden Geschäftstages zu übermitteln. 

Erstmeldung:

Vertragspartner-Stammdaten sind erstmals für den Meldestichtag 31. Januar 2018, Kredit-Stammdaten und dynamische Kreditdaten erstmals für den Meldestichtag 31. März 2018 an die Deutsche Bundesbank zu übermitteln. 

Meldungserleichterungen:

Die Deutsche Bundesbank macht von der Möglichkeit Gebrauch, kleinen Berichtspflichtigen eine Meldeerleichterung in Form einer reduzierten Berichtspflicht zu gewähren, sofern der gemeinsame Beitrag dieser Berichtspflichtigen zum Gesamtbetrag ausstehender Kredite in Deutschland gebietsansässiger Berichtspflichtiger 2 Prozent nicht übersteigt. 

Fazit:

Die ursprünglich angedachte Meldeschwelle von 100 Euro für ausgefallene Kredite ist nicht mehr Bestandteil der Verordnung. Auch die ursprünglich noch diskutierte stufenweise Einführung findet nicht in der geplanten Form statt.

Allerdings wird die derzeitige Umsetzung als Stufe 1 verstanden, sodass davon auszugehen ist, dass weitere Folgestufen kommen werden. Die  Meldepflicht wird sich somit voraussichtlich weiter verschärfen. Hierzu gehören mutmaßlich folgende Themen:

  • Niederlassungen außerhalb des Euro-Raumes
  • Ausweitung der Meldepflicht auf eine konsolidierte Meldung
  • Ausweitung auf natürliche Personen
  • Ausweitung auf Derivate, außerbilanzielles Geschäft, sonstige Forderungen und Wohnungsbaukredite
  • Anpassung der Meldeschwelle

Allerdings bedarf dies einer Entscheidung des EZB-Rates, welche mindestens zwei Jahre vor Inkrafttreten verabschiedet werden muss. Es ist davon auszugehen, dass die EZB diese Vorhaben weiter entwickeln wird, um das europäische Meldewesen weiter zu harmonisieren.

 

Offene Fragen aus AnaCredit:

Die AnaCredit-Verordung liegt nunmehr in finaler Form vor. Für die Identifikation des Handlungsbedarfes und des architektonischen Zielbildes müssen viele Fragestellungen beantwortet werden, um einen Projektplan daraus abzuleiten:

  • Liegen die Daten in der notwendigen Granularität und Qualität vor?
  • Berücksichtigen die für die Umsetzung notwendigen Datenanforderungen auch Anforderungen aus anderen Bereichen (beispielsweise BCBS 239 oder IFRS 9)?
  • Ist die IT-Systemarchitektur den Anforderungen an die neuen Meldeprozesse gewachsen?
  • Sind die Prozesse und Datenüberleitungsprozesse (insbesondere bei Töchter- und Niederlassungs-zumeldungen etc.) den Anforderungen aus AnaCredit gewachsen?

Unsere Leistungen

Bereits seit Längerem zeichnet sich ab, dass das derzeitige Millionenkreditwesen nicht ausreicht, den künftigen Datenbedarf der Aufsicht zu erfüllen. Die Granularität, der Umfang und die Häufigkeit der Meldung sind eine große Herausforderung. Insbesondere die Meldeschwelle von 25.000 Euro erhöht den Umfang im Vergleich zu den bisherigen Anforderungen fundamental. Wir helfen Ihnen mit unseren Kompetenzen bei der Umsetzung dieser Herausforderungen.